Auszüge aus der Laudatio von Frau Dr. Marta Cencillo – Ramirez zur Ausstellung „Bewegt“ von Monika Bauer am 10.Juli 2002
„Die Form eines Objektes ist immer das Geformtsein durch mich, durch meine innere Tätigkeit“.
(Zitat von Lipps, dem bekannten Vertreter der Einführungstheorie)
Die Werke von Monika Bauer möchten uns keine feste Form vorgeben, sondern bieten die Möglichkeit der Subjektivierung der unmittelbaren – in diesem Falle fotografisch-künstlerischen – Reproduktion der Wirklichkeit und zwar in der Form, die von Lipps in seinem zitierten Satz erklärt wird.
…Monika Bauer begann sich Gedanken über das Spannungsfeld zwischen der Körperlichkeit der Gebäude, der Menschen und der Skulpturen, die sie fotografiert hatte und der Flächigkeit und Starrheit desjenigen Materials zu machen, auf dem diese unglaublich plastischen, zum Teil lebendigenMotive projiziert wurden…
…Der Weg den Monika Bauer wählt, um zu ihrem Ziel zu gelangen, ist innovativ…Sie wollte, dass diese Motive die Projektionsfläche verlassen dürfen, ihr entfliehen und in den Raum wachsen können…Deshalb löste sie zunächst die bestehende Rigidität durch Zerschneiden des Papiers auf und verwebte und verknüpfte anschließend gleichmäßig die von ihr seriell angelegten Fotostreifen vertikalund horizontal zu einem neuen Gesamtbild. Die Oberfläche windet, streckt und beugt sich, das Motiv bietet neue Dimensionen…
…Motive, die auf eine Fläche projiziert wurden, scheinen durch das Verweben der Segmente aus der Fläche in den Raum zu drängen. Das ursprüngliche Festlegen der Ansicht des Motivs beim Fixieren auf dem fotografischen Material wird überwunden, revidiert, die Grenzen der Fotografie, die nur eine Ansicht zulässt, gesprengt. Eine neue Bildwelt entsteht. Das Bild wächst in den Raum, scheint sich uns als Plasitk aufzudrängen. Lebendig und bewegt, wirkt das Bild bei jedem Hinsehen anders, das Licht tänzelt auf der Oberfläche und schenkt uns jedes Mal neue „Einsichten“ in das Wesen des Motivs. Das Bild bewegt sich nun – nach der künstlerischenn Verarbeitung durch Monika Bauer – spielerisch-fließend und ausgleichend im bewegten Raum des Spannungsfeldes zwischen Abbild und Plastik, zwischen fixiertem, starren Motiv und bewegtem Eindruck bzw. wechselnder subjektiver Wahrnehmung, zwischen Gesamtansicht eines vorgegebenen Ganzen und detailliertem, fokosierten Blick auf ein Segment…
…Gerade anscheinend bekannte Motive, die man unzählige Male „gesehen“ haben und zu kennen glaubte, erscheinen in diesen bewegten Kunstwerken, in unserer subjektiven Sehwahrnehmungnun auf ungewohnter, ständig neuer Weise.
Die konsequente Anwendung o. g. Technik führte im weiteren Verlauf zu regelrechten Zyklen unterschiedlicher, bewegter Bilder, die wiederum durch eine zweifache Abkehr vom Einzelbild nun viel mehr bewirken als dies Einzelbilder können. Die Abkehr vom Einzelbild wird zum einen bei der Verwendung mehrerer Fotografien zur Herstellung eines Werkes aber auch zum anderen bei der Aufreihung von leicht variierten Einzelbildern innerhalb eines Themenzyklus vollzogen. Dies ermöglicht erstens Vergleiche, das Sehen von Unterschieden, und es ermöglicht zweitens Zeitphänomene darzustellen (d. h. die Gleichzeitigkeit des nacheinander Geschehenen und das Nebeneinander getrennter Wahrnehmungen). Mit J. Rifkins Worten ausgedrückt: „…in der Sukzession, der Abbildung von Realität in kleinen aufeinanderfolgenden Schritten, zeigt sich das Hintereinander des Festgehaltenen nebeneinander auf der Fläche.“
Die Künstlerin nutzt diese neuen Möglichkeiten vielschichtig. Durch das innovative Verweben unterschiedlicher Aufnahmen eines einzigen Motivs z. B. an unterschiedlichen Tages-Uhrzeiten zu einer erneuten Gesamtform, die verschiedene Details und Ansichten miteinander vereint und auch hierdurch einen ganz anderen Blick auf das Motiv ermöglicht. Die Auswahl der Fotostreifenmaße beeinflußt ebenfalls enorm den Detailreichtum oder generell den Blick auf das Motiv. Auch die Anzahl der Einzelbilder kann zusammen mit der Breite und Länge der Segmente vollkommen unterschiedliche Wirkungen Raum bieten und den Wölbungsgrad der Oberfläche beeinträchtigen. Und nicht nur die Auswahl, sondern auch die Fokussierung während der fotografischen Aufnahme der Motive selber, unterschiedlich kombiniert, führt dann bei der Verknüpfung zu mannigfaltigen Veränderungen des Eindruckes…
…Bei der Betrachtung der bewegten Werke werden die Fesseln der Fotografie – die strickte Fixierung von Zeit, Raum, Form und Licht auf der Fläche – gesprengt, denn die künstlerische Verarbeitungen von Monika Bauer machen dies möglich.